Inhalte auf der Seite
Barrierefreiheit
  • Schrift verkleinernSchrift vergrößernAusgangsgröße
Inhalte auf der Seite
    Pressemitteilung vom 02.05.2023

    Reichenbachplatz – Reichenbachbrunnen - Das Böttcherhandwerk in Lüneburg

    Lüneburg verdankte seine historische Bedeutung vor allem der Saline. Das hier gewonnene Salz wurde im Bereich der ganzen Hanse [v. a. (Nord-)Deutschland, Ostseeraum, Skandinavien, Niederlande, Flandern, England] gehandelt. Für die Lagerung und den Transport zu Lande und per Schiff brauchte man besonders qualitativ gute Fässer, die sich vor allem sicher stapeln ließen. Diese wurden von Handwerkern gemacht, die darauf spezialisiert waren, hölzerne Gefäße herzustellen: den Böttchern (Küfer). Ihrer Bedeutung entsprechend, gab es Mitte des 16. Jahrhunderts in Lüneburg eine Böttcher Straße, ganz in der Nähe des Reichenbachplatzes. Trotz der offenkundigen Bedeutung dieses Gewerbes für die Stadt ging der Name verloren; seit 1894 heißt sie offiziell Baumstraße. Aber auch für das damals im Alltag allgenwärtige Bier wurden in erheblichen Umfang Fässer gebraucht. Und den am Lüneburger Kalkberg abgebauten Rohstoff füllte man ebenfalls faßweise ab.

    In Lüneburg zerfielen die Böttcher daher in die Salztonnenmacher und die "Dichtbinder", die vor allem die Bier- und aus Kalkfässer herstellten.

     

    Johannes Reichenbach. Der Vielgeehrte

     Seit dem 18. Jahrhundert ist die Familie Reichenbach in Lüneburg als Böttcher, genauer als "Dichtbinder" bekannt.

    Der mit diesem Denkmal geehrte Johannes Reichbach (1836 - 1921) war ebenfalls Böttchermeister und entwickelte den Handwerksbetrieb seiner Familie zu einer veritablen Faßfabrik. Das am Rande der heutigen Altstadt gelegene Produktionsgebäude wurde am 27. Juni 1889 durch einen großen Brand vernichtet und weiter nördlich am damaligen Stadtrand wieder aufgebaut.

    Johannes Reichenbach eingagierte sich als Lokalpolitiker in vielfälttiger Weise Er übernahm poltiische Ämter zund setzte sich für zahlreiche Verbesserungen in der städtischen Infrastruktur ein. Gewerbe und Handel, aber auch kulturelle Anliegen waren ihm wichtig. Dem entsprechend wurde er vielfach geehrt u a. mit der Ehrenbürgerschaft der Stadt; die Ehren sind bis heute sichtbar: Reichenbachplatz, Reichenbachstraße und eben der Reichenbachbrunnen.

     

    Der Reichenbach-Brunnen

     Ein Höhepunkt der Ehrungen war am 31.10.1908: Der „Reichenbach-Brunnen“ wurde eingeweiht. Sein Standort war zentral: "Am Sande", dem zweiten großen Platz der historischen Innenstadt, vor dem repräsentativen Gebäude aus dem Jahre 1548, in dem die IHK (Industrie-und Handelskammer) seit 1866 ihren Sitz hatte. Es handelt um eine "indirekte" Ehrung, denn die Figur zeigt nicht den eigentlich geehrten Reichenbach, sondern zeigt einen fiktiven Vertreter seiner Zunft, den Böttcher Henneberg aus dem Roman „Der Sülfmeister“ (1883) des Berliner Schriftstellers Julius Wolff (1834 - 1910). Wolff war seiner Zeit einer der bekanntesten deutschen "Butzenscheibenschriftsteller" (P. Heyse), der "deutsche" Sagen und Heimatgeschichten zu Bestsellern seiner Zeit verarbeitete. Die letzte Auflage des über 500 Seiten starken Schmökers erschein 1956.

    Und diese Rückgriff auf eine Fiktion hat durchaus seine Vorzüge: So konnte sich der Geehrte an den Kosten beteiligen ...

     

    Das Schwert

    Man mag sich wundern, warum der wackere Böttcher ein gezogenes Schwert in der Hand hält: Die Figur steht für die wehrhaften Handwerker der alten Hansestadt. Und irgendwie paßte die Waffe ja auch zum Militarismus des Wilhelminischen Deutschlands (1871 - 1918).

    Die Handwerksmarken und Amts- und Zunftwappen der Böttcher kamen bzw. kommen ohne Schwerter aus ...

     

    Ein Denkmal zieht um

    Eigentlich sind Denkmäler nicht mobil. Aber dieser Brunnen als Denkmal kommt innerhalt Lüneburgs auf drei Standorte:

    1908 wurde es "Am Sande" installiert. 1943 mußte die Brunnenanlage kriegsbedingt einem Feuerlöschteich weichen und wurde auf dem städtischen Bauhof eingelagert. 1960 bekam es einen neuen Platz auf dem ehemaligen Kaiser-Wilhelm-Platz (jetzt Scunthorpe-Platz, benannt nach einer Lüneburger Partnerstadt in England), bevor der rekonstruierte Brunnen 1983 an der dann neu gestalteten nördlichen Zufahrt zur Altstadt zum dritten Mal aufgestellt wurde.

    Übrigens: "Am Sande" plätschert am ersten Standort wieder ein kleines possierliches Wasserspiel ...

    – Literaturhinweise W. Reinecke, G. Luntowski, U. Reinhardt: Die Straßennamen Lüneburgs, Göttingen, 5. Aufl. 2007 (= De Sulte 15).

     

    Info

    Der Reichenbachbrunnen, errichtet 1908, am Platz "Am Sande" vor der Industrie-und Handelskammer.
    Foto: Stadtarchiv Lüneburg